Autochthon, authentisch, ausdrucksstark:50 Jahre CIÙ CIÙ Bio-Weine aus den Marken

DIE WEINREGION «Furchen, Wurzeln... Träume!»

Im östlichsten Mittelitalien an der Adria rund um Ancona liegt eine entzückende Hügellandschaft, eine archaische anmutende kleine Welt namens Marche, bei uns Marken genannt. Eine Mark – daher kommt der Name – bezeichnete im mittelalterlichen Europa ein Grenzland. Und das war es im übertragenen Sinne auch in Sachen Wein, ja sogar ein Niemandsland. Eine «Weinöde» im Schatten der berühmten Provenienzen. Zugegeben, man hatte dort auf hohe Weinqualität auch nicht allzuviel Wert gelegt, war man doch dem guten alten Tafelwein sehr zugeneigt.

Und heute? Heute ist es die neue Toskana. Seit den 90ern geht so ein Wandel vor sich, auch wenn ansonsten die Zeit dort eher stillgestanden scheint. Vergessen geglaubte, fast schon ausgestorbene einheimische Rebsorten, die es im «Gebiet der Picener» seit Jahrhunderten gab, finden in den Marken wieder größte Beachtung. Und oft denkt man sich bei solch einem Wein aus Mittelitalien: So muss es früher wohl auch geschmeckt haben! Genau da nämlich, in diesen alteingesessenen unvergleichlichen Reben, liegt die lebendige Vergangenheit. Das ist die wahre Stärke der hiesigen Winzer. Echte Terroir-Weine abseits des Einheitsbreis – rassig und rustikal. Und nein, das ist gewiss keine Ausrede für bloße Eigenheiten. Das sind einfach die Marken, durch und durch authentisch!

«Wenn man beschreiben wollte,welche italienische Landschaft am typischsten ist, müsste man die Marken nennen… Italien mit seiner Landschaft ist ein Destillat der Welt; die Marken sind ein Destillat Italiens…» – Guido Piovene (1907-1974), Viaggio in Italia, 1957

DAS WEINGUT, eine große Marke für Marche

Was 1970 als überschaubarer Familienbetrieb in Offida, im Herzen der Piceno Hügel, seinen Anfang genommen hat, zieht sich inzwischen auch über die Abruzzen, Latium und Sizilien zu einem über 300 Hektar weiten Kellereien-Komplex. Aber immer noch steckt das volle Herzblut der Winzer-Familie Bartolomei in den biologisch bewirtschafteten Hängen der Heimat, wo althergebrachte Traditionen des Weinbaus und modernen Kellertechniken sich gegenseitig fördern. Diese Synergie sowie der unvergleichliche Charakter der Weine sind maßgebend für den Erfolg von «Ciù Ciù» [tschu tschu] und den Aufschwung der Weinregion Marken.

DER WEIN, Markig und markant

Auch wenn oder gerade weil die Weine der Marken so individuell sind, sind sie auf jeden Fall spannend zu kosten. Insbesondere die bodenständigen altheimischen Spezialitäten von Ciù Ciù! Hier stelle ich Ihnen meine Top3 vor:

-) «Merlettaie» Pecorino - Offida DOCG

Jawohl, Pecorino ist nicht nur ein Käse. Auch dieser Weißwein wird übersetzt «Schäfchen» genannt. Schafe lieben nämlich Reblaub, aber verschmähen die sauren Trauben. Das macht sie zu guten Weingarten-Helfern und zu würdigen Namensgebern dieser säurebetonten Rebsorte. Namensgebend für den Wein selbst hingegen sind die traditionellen Spitzenklöpplerinnen von Offida, die Merlettaie. Eine alte Handwerkskunst, die fast ausgestorben ist, genauso wie die uralte Pecorino Traube eben. Erst in den 80ern hat man wilde Reben davon wieder entdeckt und neu kultiviert. Im Weingut Ciù Ciù wird der Pecorino in Eichenfässern vergoren. Dadurch schleicht sich ein warmer Vanilleton in die zitrusfrische Fruchtigkeit. In der Nase hingegen Kräuter über Kräuter über Kräuter, dazwischen ein paar Stangen Wurzelgemüse, und nochmal verfeinert mit Zitruszesten… Das reinste Bouquet garni!

Einleitend in diese Pikanterie von einem Wein könnte man zunächst den äußerst zugänglichen Pecorino Schaumwein «Merlettaie brut» gustieren.

Nebenbei bemerkt: Diese Pecorinos, auch wenn es fast zu einfach scheint, passen tatsächlich hervorragend zum gleichnamigen Käse!

-) «Arbinus» Verdicchio dei Castelli di Jesi DOP classico

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass die Region Marken inzwischen bekannt ist für herausragende Weißweine? Ein Paradebeispiel dafür ist Verdicchio, insbesondere vom DOC Gebiet Castelli di Jesi. Für viele Kenner zählt er überhaupt zu den besten Weißweinen Italiens. Ganz zu Recht natürlich! Diese edle Rebsorte aus der großen Familie der Trebbiano Trauben vermag wahrlich ein charaktervolles und herzhaftes Trinkvergnügen zu bescheren. Das höchste der Gefühle erreichen Sie und der Wein zusammen mit mediterranen Fischen und Meeresfrüchten!

-) Lacrima di Morro d´Alba DOP

Auch Rot beherrschen die Marchigiani in allen Facetten. Die großen Herkunftsweine wie Rosso Piceno Superiore und Rosso Conero Riserva werden aus den Sorten Sangiovese und Montepulciano  gekeltert, meist zu enormen Kraftpaketen.

Die will ich Ihnen heute aber nicht präsentieren, denn an denen kommen Sie früher oder später sowieso nicht mehr vorbei. Mein Interesse gilt mal wieder mehr den Zartbesaiteten: Lacrima, also «Träne» wird die Rebe genannt. Das rührt daher, dass die Trauben im vollreifen Zustand dazu neigen rissig zu werden und Tropfen von ihrem Saft abzusondern. Auch mir möchte beinahe eine Träne entgleiten, wenn ich das mysteriöse Bukett dieses Weines nur wittere. Ein Reigen von sämtlichen Beeren, verwelkten Veilchen, Lavendel, kandierter Orange und Szechuan-Pfeffer. Am Gaumen bestätigt es sich, gestützt von zarter Säure und perfekt geschliffenen Tanninen – Die saftigen Früchte, die ätherischen Blüten und noch mehr von dieser packenden exotischen Würze. Stets komplex, aber niemals abstrus!

Das Finale ist überraschend mineralisch geprägt. Ja fast schon salzig. …Oder ist es wieder eine Träne?

Oliver Wolf, Sommelier Bildquellen: Società Agricola Ciù Ciù