Nachdem wir in der ersten Hälfte unseres Sekt und Käse Menüs eher milde bis mittelkräftige Frisch-, Schnitt- und Hartkäse mit ebensolchen unkomplizierten Schaumweinen gepaart haben, widmen wir uns nun den edlen hoch-reifen Weichkäse. Hier fällt die Wahl des Weinpartners schon deutlich schwieriger. So ein Käse fordert mitunter viel von seinem Begleiter. Und wenn das der Wein umgekehrt auch tut, ist das wiederum für Ihren Gaumen sehr fordernd. Viel und viel ergibt eben oft zu viel. Aber fangen wir mit dem Klassiker schlechthin an – da kann man fast nichts falsch machen:
4) Camembert + Burgunder-Sekt 2011 (Weingut Späth, Weinviertel)
Selbstverständlich nehmen wir einen originalen Camembert mit geschütztem Ursprung aus der Normandie. Diese Region liegt im Norden Frankreichs, links von Paris an der Atlantik-Küste. Ein Teilgebiet davon ist das für Apfel-Produkte berühmte Calvados. Ein Grund, warum man in der Normandie zum Camembert gerne Cidre, also Apfel-Perlwein trinkt – eine Kombi, die auf wundersame Weise vermutlich nur aufgrund des gemeinsamen Terroirs harmoniert.
Ein berechtigter Klassiker ist aber auch die Verbindung mit Champagner, nicht zuletzt weil die Champagne gerade mal vier bis fünf Stunden entfernt liegt, auf der anderen Seite von Paris.
Wir bedienen uns heute aber ganz unprätentiös eines Österreichischen Winzersekts der Champagner-Art. Also nach traditioneller Methode in der Flasche gegärt. Es ist ein Verschnitt aus fast gleichen Anteilen Pinot Noir und Chardonnay. Der Grundwein war 10 Monate im Edelstahltank bevor er für die zweite Gärung in die Flasche kam, wo er dann nochmal 20 Monate reifen durfte.
Das Ergebnis ist ein eleganter Hauersekt mit fein vibrierender Säure, anhaltendem Mousseux und einem samtigen Nachhall. Insgesamt eine eher cremige Textur, die sich mit dem Camembert gut deckt, aber von dem zarten prickeln perfekt wieder aufgelockert wir. Die Aromatik des Schaumweins erinnert an Melone, Honig, Biskuit und helle Nüsse. Auch hefe wird deutlich wahrgenommen. Als wir den Camembert dazu essen, sagt ein Gast sehr richtig, es erinnere Ihn an in Butter geröstete Pilze. Ein anderer erkennt die würzige Malzigkeit des Käses und denkt zu Recht, ein dunkles Bier wäre jetzt auch ein Hit!
Und was ist mit dem Burgunder-Sekt? Über den muss man kaum mehr nachdenken. Er ist ein perfekter, unaufdringlicher Begleiter, der den Käse einfach brillieren lässt, ohne Wenn und Aber…
PAIRING-REGEL: Die Kohlensäure eines Sektes verhindert, dass der Käse mit seinem Schmelz die Geschmacksknospen sättigt. Mit dezenter Fruchtsüße überspielt er die herben Noten der Schimmelflora. Der Gaumen bleibt frisch.
5) Selles-sur-Cher + Roter Gemischter Satz „Anima“, große Reserve brut, 2013 (Weinhandwerkerei Seymann, Weinviertel)
Wieder ein Weichkäse aus Frankreich, wieder ein Schaumwein aus dem Weinviertel. Diesmal allerdings ein Ziegenweichkäse aus dem Loire-Tal und dazu ein roter Brut. Klassisch zum Loire-Käse wäre natürlich ein Crémant de Loire gewesen, aber am spannendsten und spaßigsten ist doch eine solche Verkostung, wenn man aus den Konventionen ausbricht und etwas ungeahntes ausprobiert. Zum Selles-sur-Cher, der mit Asche veredelt wurde, ist ohnehin jeder Wein ein Wagnis, weil der Käse sowohl säuerlich als auch salzig als auch bitter ist und sehr intensiv schmeckt.
Der versektete Gemischte Satz vom Naturweinbauern Seymann aus dem Pulkautal besteht aus den Sorten Pinot Noir, Zweigelt, Blauburger und Roesler. 4 Jahre (!) auf der Feinhefe gereift. Limitiert auf 250 Flaschen.
Das erste Staunen: Der „Anima“, was im Lateinischen übrigens Seele bedeutet, ist fast so schwarz wie der Käse. Im Geruch merkt man auch gleich, dass wir es mit einer überaus ausdrucksstarken Weinpersönlichkeit zu tun haben. Sind wir beeinflusst von der Asche-Rinde des Selles-sur-Cher oder riecht der Schaumwein tatsächlich auch nach Kohle und Rauch? Wenn man diesen ersten Eindruck überwindet, gesellen sich gedörrte Zwetschgen, Leder und orientalische Gewürze dazu. Wir beschließen, vor dem Käse zuerst einen Schluck pur zu genießen. Und wow – er hält am Gaumen, was er uns in der Nase versprochen hat. Ein Potpourri aus exotischen Gewürzen, getrockneten dunklen Früchten, Lakritze, Schokolade und Speck.
Jetzt wird es der Käse nicht leicht haben, denken wir, und nehmen vorsichtig einen Bissen. Noch ein Schluck Anima. Noch ein Stück „Aschenziege“. Und siehe da: Doch eine Symbiose! Das opulente Bukett des Sektes tritt keineswegs in Konkurrenz zu den Aromen des Käses. Der marmeladige Schmelz schmeichelt den schärflichen Ziegen-Komponenten. Umgekehrt lässt die Intensität des Selles-sur-Cher den doch ultra-herben Anima auf einmal sehr umgänglich wirken. Die zwei schleifen sich quasi gegenseitig die Ecken und Kanten ab.
An dieser Stelle hätten wir eigentlich ein würdiges Finale, wäre da nicht noch ein Blauschimmelkäse und ein „blauer“ Schaumwein, die uns aufs Neue den Abend versüßen:
6) Roquefort + Bracchetto d´Acqui DOCG, dolce spumante (Guasti Clemente, Piemont)
Roquefort ist ein Blauschimmelkäse aus roher unbehandelter Schafmilch, der in Höhlen beziehungsweise Grotten zu einem einzigartigen pikanten Aroma heranreift. Er hat von allen natürlich hergestellten Lebensmitteln den höchsten Glutamat-Gehalt. Der Geniesser kombiniert ihn am liebsten mit süßen Prädikatsweinen, nicht zuletzt weil wir auch hier Aromen von Edelpilz (Botrytis cinerea) vorfinden.
Wir haben uns für einen roten süßen Schaumwein aus der autochthonen Rebsorte Brachetto entschieden, die im Piemont, ferner in Asti und Alessandria gekeltert wird.
Wer den Wein kennt, weiß dass es sich um einen eher einfachen Charakter handelt, den man auch vergnügt als Aperitif trinken könnte. Damit setzen wir ganz bewusst – ähnlich wie in Gang Nummer 3 – einen Kontrast zum komplexen Käse. Gerade zum Abschluss eines so reichhaltigen Menüs wollen wir es vermeiden mit einem allzu schweren, übersättigten Gaumen zu verbleiben. Da reicht also ein Wein, der einfach nur in Textur und Struktur mit dem Käse mithalten kann ohne am Gaumen zu zerbrechen. In letzter Instanz hat dieser Sekt dann sogar eine erfrischende Wirkung, was uns nahezu vergessen lässt, dass wir soeben sechs verschiedene Käse mit Brot und Beiwerk hatten.
…Also zumindest bei einer üppigen Platte oder einer großen Gang-Folge, wo man einen Bogen spannen möchte, gilt für uns:
Lieber ein Ende mit leichtem Schaumwein, als ein schwerer Schaumwein ohne Ende.
…Bei einem Einzel-Tasting wiederum gerne aus dem Vollen schöpfen!
FAZIT des Abends: Es ist an der Zeit, das monotone Image des Schaumweines als bloßen Aperitif oder Feier-Trunk zu durchbrechen und seinen mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten in der Speisebegleitung mehr Beachtung zu schenken.